Champagner sind Schaumweine. Deswegen werden auch die Geschmacksrichtungen von Champagner über die Schaumwein Geschmacksrichtungen geregelt. Für die Geschmacksrichtungen von Wein & Schaumwein, von trocken/herb bis süß gibt es in der EU eine Verordnung, die alles regelt. Es handelt sich um die Verordnung 2019/33 als Ergänzung der Verordnung Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments. Damit sollten alle Probleme und Missverständnisse ausgeräumt sein. Außerdem steht die Geschmacksrichtung schließlich auf dem Etikett. Man sollte meinen, eine einfache Wahl und der Griff zur passenden Flasche ist schnell erledigt. Allerdings werden die Geschmacksrichtungen von Wein und Schaumwein getrennt geregelt. Unter Schaumwein als Oberbegriff fällt sowohl jeder Sekt, als auch Champagner. Bei Prosecco ist es differenzierter, da Varianten als Stillwein, Perlwein und Schaumwein produziert werden. Eine getrennte Regelung der Geschmacksrichtungen von Wein und Schaumwein ist nicht grundsätzlich als negativ abzulehnen. Jedoch sind die Geschmacksrichtungen nicht aufeinander abgestimmt. Betrachtet man die Einstufungen, so wird mit etwas Erfahrung, schnell deutlich, dass diese nicht analog der realen Empfindung verlaufen. Als Erklärung für die Unterschiede in der Bewertung wird die Kohlensäure herangezogen. Kohlensäure sorgt für eine veränderte Geschmacksempfindung. Schaumweine werden auf Grund der Kohlensäure als frischer und weniger süß empfunden. Jedoch steht dies in keinem Zusammenhang mit der eklatant unterschiedlichen Einstufung.
Man sollte meinen, wenn etwas als "trocken" bezeichnet wird, dass man dann auch etwas trockenes vorfindet. Natürlich sind die persönlichen Geschmacksempfindungen individuell und lassen sich nicht auf jede Person gleichermaßen exakt bestimmen. Trotzdem sollte etwas Trockenes im weitest gehenden Sinn trocken und nicht lieblich oder süß sein. Umgekehrt, wenn etwas als lieblich bezeichnet wird, sollte man davon ausgehen können, dass es sich hier um eine Vorstufe zu etwas süßem befindet und keinesfalls in irgendeiner Weise trocken ist. Leider ist dem nicht so. Schlimmer noch, wer meint seine Erfahrungen über Wein und dessen Geschmacksrichtungen bei Schaumwein einfließen zu lassen, erleidet schneller Schiffbruch als ihm lieb ist. Ein trockener Schaumwein ist nämlich keinesfalls trocken, einmal mehr hat ein halbtrockener Schaumwein nicht im Ansatz etwas mit einer trockenen Empfindungshaltung zu tun.
Die Diskrepanz beginnt mit der Anzahl der Einstufungen von Wein und Schaumwein. Wein wird in vier Geschmacksrichtungen aufgeteilt, Trocken, Halbtrocken, Lieblich und Süß, wobei bei Schaumwein für den Begriff Süß statt dessen der Begriff "Mild" gefunden wurde. Was noch bei Wein ab einem Restzuckergehalt (Zuckergehalt) von 45 g/l als Süß tituliert wird, ist bei Schaumwein ab einem Restzuckergehalt über 50 g/l lediglich mit "Mild" angegeben. Für die Geschmacksrichtungen von Schaumwein finden sich sieben Stufen Brut Zero oder Brut Nature (hier gibt es verschiedene Bezeichnungen, auf Deutsch Naturherb), Extra Brut (Extra Herb), Brut (Herb), Extra Sec (Extra Trocken), Sec (Trocken), Demi Sec (Halbtrocken) und Doux (Süß).
Wo noch bei Wein eine Zwischenstufe von Halbtrocken zu Süß, mit einer außerordentlich großen Spanne, von 12 bis 45 g/l Restzuckergehalt, angegeben wird, so fällt diese bei Schaumwein, in der offiziellen Zuordnung, komplett weg. Lässt man den Säuregehalt außen vor, so ist der Restzuckergehalt maßgeblich bestimmend für die Geschmacksrichtung. Während Weine auch mit hohem Säuregehalt angeboten werden, so befindet sich der Säuregehalt von Schaumwein, explizit der von Champagner, immer in einem ausgeglichenen Zustand.
Bei einem ausgeglichenen Verhältnis von Säure, Restzucker und Frucht, bedarf es keiner oder einer nur sehr geringen Dosage um herausragende Champagner zu kreieren. Auch trockene, bzw. herbe Champagner sind dann keinesfalls adstringierend. Allerdings ist die Grundvoraussetzung eine hohe Qualität der Trauben. Da die Qualität der Trauben von Winzerchampagner außerordentlich hoch ist, vollzieht sich seit Jahren ein Trend unter Champagnerwinzern hin zu einer immer niedrigeren Dosage. Durch die stetig wachsende Zahl der Winzer die mit ihren Trauben ihre eigenen Champagner kreieren, schwindet das Angebot hochwertiger Trauben auf dem Markt. Da 90% der Weinberge in der Hand der Winzer liegen, verläuft der Trend in Bezug auf die Dosage der Champagner von Champagnerhäusern konträr zu dem Champagner der Winzer.
Um den individuellen Wünschen der Champagner Liebhaber Rechnung zu tragen, wird Champagner selbstredend in allen Geschmacksrichtungen hergestellt, auch wenn nach wie vor die vorherrschende Geschmacksrichtung von Champagner Brut ist. Etwa 90% aller Champagner werden in der trockenen Geschmacksrichtung Brut hergestellt.
Es herrscht eine allgemeine Meinung vor, dass Champagner besonders trocken bzw. herb sei. Das ist ein Irrglauben. Spätestens wer sich die nackten Fakten anschaut wird erkennen, dass Champagner im direkten Vergleich der Geschmacksrichtungen zwischen Wein und Schaumwein stets die weniger trockene Variante ist. Ein trockener Wein verfügt über einen Restzuckergehalt von 0 bis 4 g/l Ein als 'Trocken' deklarierter Champagner schwankt zwischen 17 und 32 g/l und ist damit alles andere als trocken.
1. Brut Zero, Brut Nature, Ultra Brut | Dosage nicht erlaubt, 0-<3 g/l Restzuckergehalt |
2. Extra Brut | Dosage 0-6 g/l Restzuckergehalt |
3. Brut | Dosage 0-<12 g/l Restzuckergehalt |
4. Extra Sec | Dosage 12-17 g/l Restzuckergehalt |
5. Sec | Dosage 17-32 g/l Restzuckergehalt |
6. Demi Sec | Dosage 32-50 g/l Restzuckergehalt |
7. Doux | Dosage > 50 g/l Restzuckergehalt |
Geschmacksrichtungen Wein (Rot-, Weiß-, Roséwein)
1. Sec (Trocken, Dry):
Restzuckergehalt nicht über 4 g je Liter oder 9 g je Liter, sofern der in g je Liter Weinsäure ausgedrückte Gesamtsäuregehalt höchstens um 2 g je Liter niedriger ist als der Restzuckergehalt.
2. Demi Sec (Halbtrocken, Medium Dry):
Restzuckergehalt zwischen folgenden Werten, ab 5 bis 12 g je Liter oder bis 18 g je Liter, sofern der in g je Liter Weinsäure ausgedrückte Gesamtsäuregehalt höchstens um 10 g je Liter niedriger ist als der Restzuckergehalt.
3. Moelleux (Lieblich, Medium Sweet):
Restzuckergehalt oberhalb der Werte der Geschmacksrichtung halbtrocken, aber nicht mehr als 45 g je Liter.
4. Doux (Süß, Sweet): Restzuckergehalt mindestens 45 g je Liter.
Im direkten Vergleich werden die eklatanten Diskrepanzen deutlich. Die Einstufungen der Geschmacksrichtungen von Schaumwein sind wesentlich genauer. Was bei den offiziellen Geschmacksrichtungen von Schaumwein aber auch keine Beachtung findet sind die realen Empfindungen. So sind Schaumweine mit 12 bis 17 g/l keinesfalls Extra Trocken, einmal mehr nicht von 17 bis 32 g/l Trocken. Die Einstufung von 32 bis 50 g/l für Schaumweine in der Geschmacksrichtung Halbtrocken entbehrt jedem Verständnis.
Bei einer Gegenüberstellung wird deutlich, dass die Einstufungen der Geschmacksrichtungen an realen Empfindungen völlig vorbei laufen.
Dagegen befindet sich die Geschmacksrichtung Brut (Herb), die deutlich trockener sein sollte als die Geschmacksrichtung 'Trocken', in einer Range zwischen 6 bis <12 g/l.
Diese extremen Unterschiede lassen sich nicht mit der bei Schaumwein enthaltenen Kohlensäure erklären. Kohlensäure sorgt für ein Gefühl von Frische und nimmt dem Zucker etwas die Süße. Hier liegen jedoch Welten dazwischen.
Die Probleme fangen mit dem Kauf einer Flasche Wein an oder einer Flasche Sekt, die trocken sein sollte. Es wurde bei der Flasche Sekt dafür sogar zu der Geschmacksrichtung Extra Trocken gegriffen, aber selbst ein als Extra Trocken deklarierter Sekt ist von der Empfindung her nicht wirklich trocken. Wer darüber hinaus meint bereits einige Erfahrungen bei Wein gemacht zu haben und diese versucht bei Schaumwein einzubringen ist ganz verloren.
Um dieses Missverhältnis zu entwirren und etwas Klarheit in die Geschmacksrichtungen von Wein und Schaumwein zu bringen, eine von uns erstellte Tabelle, die die realen Geschmacksempfindungen widerspiegelt. Natürlich muss die individuelle persönliche Geschmacksempfindung als Komponente immer mit berücksichtigt werden. So mag es mancher grundsätzlich lieber etwas trockener oder süßer, aber die Basis für eine zukünftig sinnvolle Suche nach der passenden Geschmacksrichtung ist damit einfacher. Große Enttäuschungen sollten damit ausbleiben.
Wenn auf die Angabe des Restzuckergehaltes geachtet wird, kann die nachfolgende Grafik eine Hilfestellung sein, anhand der problemlos der Champagner mit der persönlich geeigneten Geschmacksrichtung gefunden werden kann. Die nachfolgende Grafik ist keine offizielle Grafik und entspricht nicht der offiziellen EU Verordnung. Sie spiegelt das reale Geschmacksempfinden wider.
Wird ein trockener Schaumwein gesucht, dann sollte die Wahl mindestens auf Brut fallen, wahlweise Extra Brut oder Brut Nature. Alle anderen Geschmacksrichtungen bei Schaumweinen, Extra Trocken, Trocken und Halbtrocken, sind bzgl. der Geschmacksempfindung nicht mehr wirklich trocken. Der als Trocken, Sec oder Dry deklarierte Schaumwein tendiert bereits in Richtung süßlich, lieblich, während der Schaumwein in der Geschmacksrichtung Halbtrocken, Demi Sec oder Medium Sweet bereits ein süßlicher Schaumwein ist. Bereits ab der Mitte der Restzuckergehalt Range (32-50 g/l.), ca. ab 38 g/l. und aufwärts, ist ein als Halbtrocken bezeichneter Schaumwein definitiv ausgewogen süßlich.
Wird ein lieblicher bis dezent süßlicher Schaumwein gesucht, dann sollte je nach gesuchter Geschmacksrichtung zu einem Schaumwein der Geschmacksrichtung 'Trocken' (Sec, Dry) gegriffen werden, ab ca. 20 bis 25 g/l. Restzuckergehalt oder aber, wenn er deutlich süßlich sein soll, die Wahl auf einen Schaumwein der Geschmacksrichtung 'Halbtrocken' (Demi Sec, Medium Dry) fallen. Wer einen süßlichen Schaumwein sucht, muss nicht in der Geschmacksrichtung 'Süß' (Doux, Sweet) suchen.
Auch in der Kategorie Doux sind Champagner noch nicht wirklich süß. Sie lassen sich eher als sehr süßlich bezeichnen. Das Angebot an Doux Champagner beschränkt sich sowieso auf kaum mehr als eine Handvoll Varianten. Es gibt aktuell (2021) lediglich eine Ausnahme bei der Geschmacksrichtung der Doux Champagner, bei der die Einstufung als Doux (süß) wörtlich zu nehmen ist. Das ist die Cuvée Rubato Doux, der Champagne Domaine B. Girardin. Es handelt sich um einen Doux Champagner mit einer Dosage von 120 g/l. Während alle anderen, sich aktuell auf dem Markt befindlichen Doux Champagner, sich in der Dosage Range von 51 bis ca. 70 g/l bewegen, hebt sich die Cuvée Rubato deutlich hervor. Das spiegelt sich auch im Geschmacksempfinden. Damit ist der Champagner der Winzerfamilie ein Exot unter der sowieso bereits kaum erhältlichen Champagner Geschmacksvariante. Wer sich hier nicht bewusst ist, um was für einen Champagner es sich handelt, der könnte maßlos enttäuscht werden, weil er vielleicht vielen viel zu süß ist. Aber genau das ist er und möchte er auch sein... süß.
Die Cuvée Rubato zu trinken ist wie eine Zeitreise, als Champagner fast ausschließlich süß getrunken wurde. So kann man es sich vorstellen, wenn Zar Alexander I., Nikolaus II. oder die Zarin Katharina die Große ihren Champagner getrunken haben. Wer bewusst einen solch süßen Champagner sucht, für Jene kann der Champagner eine Offenbarung sein, denn er ist großartig.
Bei der Verfahrensweise sollte es keine traurige Überraschung geben. Unsere lieblichen bis süßen Champagner sind entsprechend der offiziellen EU Verordnung in der Kategorie Doux & Demi Sec Champagner zu finden. Geschmacksrichtungen sind immer auch dem Wandel der Zeit unterworfen. So beinhaltete zu Zeiten der Zaren ein süßer Champagner einen Restzuckergehalt von 200 bis 250 g/l. Die EU Verordnung stammt jedoch aus der Neuzeit. Da hätte eine etwas realere Einstufung der Geschmacksrichtungen getroffen werden können.
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